Wer muss zahlen? – der Beschluss über den Kostenverteilungsschlüssel nach § 16 Abs. 2 WEG
Wichtige Urteile des Bundesgerichtshofes
27.02.2025Wichtige Urteile des Bundesgerichtshofes zur Änderung des vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss schaffen Klarheit (BGH - Urteile vom 14. Februar 2025 - V ZR 236/23 und V ZR 128/23).
In Wohnungseigentumsanlagen enthält die Teilungserklärung in der Regel Vereinbarungen darüber, wer die Kosten für die Instandhaltung und Instandhaltung bestimmter Gebäudeteile zu tragen hat. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr in zwei Verfahren zu § 16 Abs. 2 WEG weitere Vorgaben zu den Voraussetzungen gemacht, unter denen die Wohnungseigentümer eine von einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung abweichende Kostentragung beschließen können.
I. BGH – V ZR 236/23
1. Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Zu der Anlage gehört eine Tiefgarage mit 15 Stellplätzen, an denen jeweils Sondernutzungsrechte begründet worden sind.
Die Kosten für die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle sind nach der Teilungserklärung ausschließlich von diesen Wohneinheiten zu tragen sind.
Die Einheit der Klägerin verfügt nicht über ein Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz. Im April 2022 beschlossen die Wohnungseigentümer, das Dach der Garage sanieren zu lassen und die damit verbundenen Kosten auf sämtliche Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile umzulegen.
Da nach der Gemeinschaftsordnung die bei der Sanierung des Tiefgaragendaches entstehenden Kosten nur von den Einheiten mit Sondernutzungsrecht an einem Stellplatz zu tragen sind, würde die beschlossene Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen dazu führen, dass auch Wohnungseigentümer ohne Stellplatz – wie die Klägerin - für die Sanierung des Tiefgaragendachs zahlen müssen; denn der Beschluss sollte die in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte objektbezogene Kostentrennung zwischen Gebäude und Tiefgarage gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG konstitutiv ändern.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgegeben hat. Nachdem ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist, verfolgt die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat der Revision stattgegeben.
Die erforderliche Beschlusskompetenz besteht - wie der Bundesgerichtshof in der Sache V ZR 81/23 bereits entschieden hat - auch dann, wenn der Kreis der Kostenschuldner verändert wird, indem - wie hier - Wohnungseigentümer erstmals mit Kosten belastet werden.
Das Landgericht wird nunmehr klären müssen, ob die Beschlüsse ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen; zu prüfen ist dies nur dann, wenn – wie hier – innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist Klage gegen die Beschlüsse erhoben worden ist. Zu der insoweit erforderlichen Prüfung von Anfechtungsgründen hat der Bundesgerichtshof nähere Vorgaben gemacht. Inwieweit es bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, durch Beschluss auch die zuvor kostenbefreiten Wohnungseigentümer an den auf einen der Gebäudeteile entfallenden Erhaltungskosten zu beteiligen, war bislang ungeklärt. Nach dem bis zum 30. November 2020 geltenden Recht waren derartige Beschlüsse schon mangels Beschlusskompetenz ohne Weiteres nichtig. Der Bundesgerichtshof hat zu der neuen Rechtslage nun entschieden, dass es bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung in der Regel ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, durch Beschluss auch die übrigen Wohnungseigentümer an den auf diesen Gebäudeteil (hier der Tiefgarage) entfallenden Kosten zu beteiligen. Denn in typisierender Betrachtung ist davon auszugehen, dass die vereinbarte Kostentrennung für die konkrete Anlage grundsätzlich angemessen ist. Regelmäßig wird die objektbezogene Kostentrennung nämlich deshalb vereinbart, weil sich Gebrauch bzw. Gebrauchsmöglichkeiten besonders stark unterscheiden, wie es insbesondere in Anlagen mit unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen oder in Mehrhausanlagen der Fall ist. Daher bedarf es in dieser Fallkonstellation - anders als bei üblichen Beschlüssen über die Änderung der Kostenverteilung - eines sachlichen Grundes, damit die Kosten auf alle Wohnungseigentümer verteilt werden dürfen.
Wann ein sachlicher Grund für die Einbeziehung der übrigen Wohnungseigentümer besteht, hängt von der jeweiligen Fallgestaltung ab und lässt sich nicht abschließend vorgeben. In dem hier zu entscheidenden Fall könnte es jedenfalls ausreichend sein, wenn die Kosten der Beseitigung von Schäden dienen, die von dem übrigen Gemeinschaftseigentum außerhalb der Tiefgarage herrühren. Ebenso kann ein sachlicher Grund gegeben sein, wenn sich das Problem, für dessen Beseitigung die Kosten anfallen, auf die gesamte Anlage erstreckt, und aus diesem Grund eine Gesamtsanierung der Anlage unter Beteiligung aller Wohnungseigentümer beschlossen wird. Hingegen stellt es bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung zwischen Tiefgarage und Gebäude für sich genommen keinen sachlichen Grund für eine Beteiligung aller Miteigentümer dar, dass die Kosten Teile des Gemeinschaftseigentums betreffen, die auch für das übrige Gemeinschaftseigentum - insbesondere aus Gründen der Statik - von Bedeutung sind.
II. BGH - Verfahren V ZR 128/23
1. Sachverhalt:
Zu der Wohnungseigentumsanlage gehören - neben den Gewerbeeinheiten der Klägerinnen - 30 Wohnungseigentumseinheiten sowie insgesamt 25 Garagen/Stellplätze, für die jeweils Teileigentum begründet worden ist.
In der Teilungserklärung aus dem Jahr 1984 ist geregelt, dass öffentliche Abgaben, Betriebskosten und Instandsetzungskosten jeweils nach Miteigentumsanteilen getragen werden. Für die Heizungskosten sieht die Teilungserklärung eine Umlage nach dem Verhältnis der beheizten Flächen vor.
Der in der Teilungserklärung ausgewiesene Miteigentumsanteil ist bezogen auf die Grundfläche bei den Wohnungen etwa viermal größer als bei den Gewerbeeinheiten, ein Hundertstel Miteigentum entspricht also bei den Wohneinheiten etwa 25 m², bei den Gewerbeeinheiten etwa 100 m².
In einer Eigentümerversammlung im Jahr 2021 wurde beschlossen, die aktuell nach Miteigentumsanteilen umgelegten Kosten zukünftig nach der beheizbaren Wohnfläche zu verteilen und diesen Schlüssel auch für die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage anzuwenden. Darüber hinaus wurde auf der Grundlage des Gesamtwirtschaftsplans und der Einzelwirtschaftspläne über die Vorschüsse für das Jahr 2022 beschlossen.
Gegen diese Beschlussfassung wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Anfechtungsklage, der das Amtsgericht stattgegeben hat. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Bundesgerichtshof zugelassenen Revision wollten die Klägerinnen die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
2. Entscheidung des Bundesgerichtshofes:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen.
Die angefochtenen Beschlüsse sind rechtmäßig.
Die Beschlusskompetenz zur Abänderung des geltenden Verteilungsschlüssels ergibt sich aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Anders als zuvor begründet nunmehr § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG eine Kompetenz auch zur Änderung des Verteilungsschlüssels für die Zuführung zu Rücklagen.
Grund für die fehlende Beschlusskompetenz nach dem alten Recht war, dass § 16 Abs. 4 WEG aF eine Änderung der Kostenverteilung nur für den Einzelfall ermöglichte, während Rücklagen für den zukünftigen, noch nicht konkret vorhersehbaren Bedarf bestimmter Maßnahmen gebildet werden. Eine solche Beschränkung enthält § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG nicht mehr.
Bei der beschlossenen Änderung der Kostenverteilung handelt es sich zudem um eine abweichende Verteilung für bestimmte Arten von Kosten im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG und nicht - wie die Klägerinnen gemeint hatten - um eine nicht von der Beschlusskompetenz gedeckte generelle Änderung des Verteilungsschlüssels. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine abweichende Verteilung beschließen. Wie die Formulierung "bestimmte Arten von Kosten" zu verstehen ist, war bislang umstritten. Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass diese Formulierung lediglich das allgemein für Beschlüsse geltende Bestimmtheitserfordernis hervorhebt und keine darüber hinausgehenden Anforderungen begründet.
Der Beschluss entspricht auch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Die Würdigung des Landgerichts, dass der alte Verteilungsschlüssel die Teileigentümerinnen der Gewerbeeinheiten unbillig privilegiert hat, weil die Gewerbeeinheiten gemessen an der Fläche nur mit etwa einem Viertel an den Kosten für Abgaben, Betriebskosten und Erhaltung beteiligt wurden und für diese Privilegierung kein sachlicher Grund bestand, ist rechtsfehlerfrei.
III. Fazit:
Durch die Entscheidungen des BGH sind wichtige Rechtsfragen in Bezug auf die Möglichkeiten einer Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nach § 16 Abs. 2 WEG geklärt.
Eine Beschlusskompetenz für die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels besteht danach auch dann, wenn einzelne Wohnungseigentümer durch die Änderung von kosten freigestellt oder erstmals mit Kosten belastet werden.
Der Beschluss muss darüber hinaus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dies ist nach Auffassung des BGH dann der Fall, wenn für die Freistellung oder Einbeziehung ein sachlicher Grund besteht, wenn z.B. die Kosten der Beseitigung von Schäden dienen, die von dem übrigen Gemeinschaftseigentum außerhalb der Tiefgarage herrühren oder die Kosten sich auf die gesamte Anlage erstrecken und eine Gesamtsanierung der Anlage notwendig machen. Allein die Tatsache, dass die Kosten Teile des Gemeinschaftseigentums betreffen, die auch für das übrige Gemeinschaftseigentum - insbesondere aus Gründen der Statik - von Bedeutung sind, begründet dagegen nach Auffassung des BGH keinen sachlichen Grund dar.
Ein Kostenverteilungsschlüssel für bestimmte Arten von Kosten darf auch dann geändert werden, wenn die bisherige Kostenverteilung einzelne Eigentümer privilegiert und für diese Privilegierung kein sachlicher Grund vorliegt.
Aufgrund der zahlreichen Anfragen zu diesem Thema, werden wird zu den neu geschaffenen Möglichkeiten der Änderung des Kostenversteilungsschlüssels durch Beschluss auf LEWENTO in Kürze ein Webinar anbieten und auf die weiteren rechtlichen Gesichtspunkte in einem Verwalter eingehen.
Quelle: Pressemitteilungen des BGH vom 14.02.2025 - Nr. 033/2025
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Autor: Rechtsanwalt Michael Schmidt, M.L.E. GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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