Die Pandemie ist zwar nicht vorbei – hoffentlich sind aber die Beschränkungen vorbei. Denn diese führten auch im Mietrecht zu Problemen. Wenn Corona-Schutzmaßnahmen die vom Mieter angedachte Nutzung von Mieträumen nicht zulässt, lassen sich insbesondere die folgenden zwei Reaktionen beobachten: der Mieter mindert oder möchte sich vom Vertrag lösen bzw. kündigt außerordentlich. Nach zahlreichen Urteilen vor den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten hat der BGH in der ersten Jahreshälfte nun gleich mehrmals entschieden und seinen Standpunkt nach und nach präzisiert. Jetzt im Sommer wollen wir diese Entscheidungen noch einmal kurz erläutern und zusammenfassen.
Ausgangsfälle:
Fall: Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts
Zwischen den Parteien besteht ein Gewerberaummietverhältnis. Seit 2013 betreiben die Mieter in den Räumen ein Einzelhandelsgeschäft. Dies deckt sich mit dem vertraglich geregelten ausschließlichen Nutzungszweck der Mietsache. Aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen müssen die Mieter das Geschäft vom 19. März bis 19. April 2020 schließen. Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24. März 2020 zahlen die Mieter die Aprilmiete nicht. Sie rechnen gegen die Mietzahlungspflicht für die Zeit vom 20. bis 30. April 2020 mit der ihrer Meinung nach überzahlten
Miete für die Zeit vom 19. bis 31. März 2020 auf.
Fall: Nicht durchführbare Hochzeitsfeier
Die Mieter heiraten am 11. Dezember 2018 standesamtlich. Für die geplante Hochzeitsfeier mit 70 Personen mieten sie bei der Vermieterin für den 1. Mai 2020 entsprechende Räumlichkeiten an. Die vereinbarte
Miete zahlen die Mieter vollständig im Voraus. Es kommt, wie es kommen muss: Aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen mit Gültigkeit ab dem 27. April 2020 sind Zusammenkünfte im öffentlichen Raum lediglich mit zwei Personen zulässig, sodass die Hochzeitsfeier nicht durchgeführt werden kann. Am 24. April 2020 bitten die Mieter schriftlich um vollständige Rückzahlung der
Miete und erklären gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag. Die Vermieterin lehnt dies ab – schließlich habe sie am 23. April 2020 unter Angabe von Alternativterminen angeboten, die Hochzeit zu verschieben.
Fall: Keine Nutzung des Zimmers im Pflegeheim
Am 30. März 2017 schließen die Parteien einen Vertrag über die Unterbringung und vollstationäre Pflege der Bewohnerin oder Mieterin in einem vom Heimbetreiber, dem Vermieter, betriebenen Seniorenwohn- und Pflegeheim. Ab dem 19. März 2020 hält sich die Mieterin nicht mehr in dem Pflegeheim auf – ihr Sohn holt sie aufgrund des neuartigen Coronavirus zu sich nach Hause. Ihr Zimmer im Pflegeheim räumt die Mieterin nicht. Für die Monate Mai bis August 2020 erbringt sie lediglich einen Bruchteil des vereinbarten Monatsentgelts. Der Heimbetreiber fordert die Bewohnerin unter Fristsetzung zur Zahlung auf – vergeblich. Daher erklärt er mit Schreiben vom 20. Juli 2020 die
Kündigung des Pflegevertrags aus wichtigem Grund zum 31. August 2020. Nun fordert er Räumung des Zimmers und Zahlung der ausstehenden Beträge.
Lösung(en):
Alle diese Fälle haben gemeinsam, dass Räumlichkeiten aufgrund von öffentlich-rechtlichen Beschränkungen nicht bzw. nur eingeschränkt genutzt werden konnten. Wie ist dies nun (miet-)rechtlich zu beurteilen?
Anforderungen an eine Mietminderung
Die Mietminderung, ungeachtet der Höhe, kommt erst in Frage, wenn ein
Mangel an der Mietsache vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die tatsächliche Beschaffenheit negativ von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. Ein solcher
Mangel kann bereits bei Überlassung der Mietsache an den Mieter bestehen oder erst während der Mietzeit auftreten. Abgesehen von der
Mietminderung kann ein
Mangel außerdem zur sog. Unmöglichkeit der vertraglich geschuldeten Leistung des Vermieters führen. Gemeint ist, dass die Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand durch den Vermieter für den Mieter tatsächlich oder rechtlich nicht mehr möglich ist. Dann besteht die Möglichkeit zum Rücktritt vom Vertrag bzw. zur außerordentlichen Kündigung.
In allen drei Fällen lag nach Ansicht des BGH kein
Mangel vor. Eine pandemiebedingte Betriebsuntersagung stelle lediglich ein Gebrauchshindernis dar, das allerdings nicht auf der Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhe. Letztere sei gerade für die Annahme eines Mangels erforderlich. Auch knüpfe eine hoheitliche Maßnahme zur Bekämpfung der Pandemie nicht an die generelle Benutzbarkeit der gemieteten Räumlichkeiten.
In Hinblick auf die Hochzeitsfeier sei der Rücktritt vom Vertrag wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, weil die Leistung gar nicht unmöglich gewesen sei. Schließlich schulde die Vermieterin zwar die Gebrauchsüberlassung der Räumlichkeiten, nicht aber die Durchführung der Hochzeitsfeier.
Wegfall der Geschäftsgrundlage
Darüber hinaus gewährt das Bürgerliche Gesetzbuch den Betroffenen weiteren Schutz, sofern eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, sofern sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.
Im Fall des Pflegeheims scheide eine Anpassung des Heimentgelts allein schon deswegen aus, da sich durch die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen im Heim die Geschäftsgrundlage nicht schwerwiegend geändert habe. Der Heimbetreiber habe seiner Verpflichtung, nämlich der Überlassung des Heimzimmers und der Erbringung vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen, weiterhin nachkommen können. Dies bilde auch den Schwerpunkt des Vertrags.
Jedoch in den Fällen des Einzelhandels und der Hochzeitsfeier hätten die Mieter den Vertrag in der Form wohl nicht abgeschlossen ebenso wie keine der beteiligten Parteien die Pandemie vorhersehen konnte. Die Geschäftsgrundlage hat sich in diesen zwei Fällen schwerwiegend geändert.
Um sich tatsächlich aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage von einem Vertrag lösen zu können, ist überdies erforderlich, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Ein Festhalten an der vereinbarten Regelung muss zu einem für die betroffene Partei nicht mehr tragbaren Ergebnis führen.
Zu beachten ist, dass im Mieter-Vermieter-Verhältnis grundsätzlich der Mieter das konkrete Verwendungsrisiko trägt – der Vermieter demgegenüber nur das generelle. Die Gebrauchsbeschränkungen waren vorliegend auf die umfangreichen staatlichen Eingriffe aufgrund der Pandemie zurückzuführen. Das durch die Pandemie verwirklichte allgemeine Lebensrisiko stellt ein Risiko solcher Art dar, das weder der einen noch der anderen Partei allein zugewiesen werden kann. Letztendlich konnten die Mieter in den Fällen des Einzelhandels und der Hochzeitsfeier keine Umstände vortragen, die zur Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem Vertrag geführt hätten.
Fazit
Wenn der Mieter eine Mietreduzierung geltend macht – bewahren Sie Ruhe. Der Mieter muss nachweisen, warum die Geschäftsgrundlage weggefallen ist und inwiefern die Umstände zu einer Unzumutbarkeit geführt hat. Mieter müssen genau vortragen, was die (finanziellen) Auswirkungen der Beschränkungen waren und ob und wie diese Auswirkungen durch öffentliche Hilfen abgemildert wurden.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 (Einzelhandelsgeschäft)
BGH, Urteil vom 2. März 2022 – XII ZR 36/21 (Hochzeitsfeier)
BGH, Beschluss vom 28. April 2022 – III ZR 240/21 (Pflegeheim)