Balkonkraftwerke ohne die Zustimmung des Vermieters?
Was bedeutet privilegierte Baumaßnahme wirklich?
11.07.2024Kurz vor der Sommerpause gab es zwei Änderungen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht – die Privilegierung der Balkonkraftwerke und die virtuelle Eigentümerversammlung. Um das letztere geht es in der nächsten Woche und um das erstere heute. Stimmt es wirklich, dass Mieter nun Balkonkraftwerke bauen dürfen ohne Zustimmung des Vermieters oder dass der Vermieter zustimmen muss? Und wie ist das in der GdWE? Hat sich die Rechtslage wirklich grundlegend geändert?
Nach der bisherigen Rechtslage war es umstritten, ob Mieter Anspruch haben auf Zustimmung des Vermieters zur Errichtung eines Balkonkraftwerks bzw. Eigentümer den Gestattungsanspruch (siehe auch hier). Der Gesetzgeber wollte jedoch die Rechte der umweltfreundlichen Mieter / Eigentümer stärken und änderte § 554 BGB und § 20 WEG. Die Errichtung eines Steckersolargeräts (juristisch für Balkonkraftwerk) wird zu einer privilegierten Baumaßnahme.
§ 554 BGB – Mietrecht
„Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die … der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte dienen. Der Anspruch besteht nicht, wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann. …“
§ 554 Abs. 1 S. 1 BGB gibt dem Mieter also einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung. § 554 BGB ist damit eine Ausnahme im Mietrecht, denn ansonsten haben Mieter keine Ansprüche auf Modernisierung der Mietsache oder Rechte, die Wohnung umzubauen, also in die Bausubstanz einzugreifen. Diese Norm, die auch Ladestationen und Maßnahmen zur Barrierefreiheit sowie zum Einbruchschutz betrifft, führt aber nicht dazu, dass ein Mieter ohne Weiteres bauen darf. Denn § 554 Abs. 1 S. 2 regelt den Ausschluss des Anspruchs, die Norm verlangt eine Interessenabwägung der Interessen von Mieter und Vermieter.
Zu berücksichtigen sind folgende Interessen:
• Öffentliches Interesse an zeitgemäßer Ausstattung von Häusern und Wohnungen; Klimaschutz
• Individuelle Interessen der Mieter (Einsparung von Energie)
• Individuelle Interessen des Vermieters (Konservierungsinteresse; erhöhte Verkehrssicherungspflichten; Rückbaurisiko)
Ein derartiges flexibles System der Interessenabwägung führt zu Schwierigkeiten, weil alles immer einzelfallbezogen geprüft werden muss. Es kommt also beim Anbau von Steckersolargeräten auf Folgendes an: wo liegen die Balkone, wie ist die Elektroanlage des Hauses, wie ist die Windbelastung, wo werden die Steckersolargeräte angebracht usw. Die nachteilige Änderung der äußeren Erscheinung wird wohl bei der Interessenabwägung künftig keine Rolle mehr spielen.
Gerade um das Rückbaurisiko abzudämpfen, können Mieter und Vermieter eine Zusatzkaution vereinbaren. Dies wird dann bei der Interessenabwägung zugunsten der Mieterseite berücksichtigt.
In jedem Fall kann nach unserer Meinung der Vermieter vor Erteilung der Zustimmung Folgendes verlangen:
• Vorlage detaillierter Pläne
• Vornahme durch Fachhandwerker (Auswahl obliegt dem Mieter)
• Vereinbarung Rückbaupflicht des Mieters
• Abschluss einer Versicherung
• Freistellung von etwaigen (Schadensersatz)ansprüchen
Diese Liste befindet sich hier in der Kanzlei in der ständigen Prüfung und Überarbeitung. In unserer nächsten Version des Mustermietvertrags (also August 2024) werden Sie dazu eine Regelung finden.
§ 20 WEG – Wohnungseigentumsrecht
Auch im Wohnungseigentumsgesetz tauchen nun Steckersolargeräte auf. Eigentümer haben nach der Gesetzesänderung (diese tritt mit Verkündung – also in Kürze – in Kraft) einen Anspruch gegen die Gemeinschaft auf Gestattung des Anbaus eines Balkonkraftwerks. Klar ist also – dies ist eine bauliche Veränderung und der Eigentümer, der bauen will, muss die GdWE fragen. Wenn der Gestattungsbeschluss nicht erteilt wird, kann der Eigentümer auf Ersetzung klagen. Der Anspruch besteht nicht:
• Bei Änderung der Eigenart der Wohnungseigentumsanlage oder
• Unbilliger Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer
Die bisherige Rechtsprechung der Gerichte zu privilegierten Baumaßnahmen (siehe hier) zeigt, dass die Gerichte diese Ausnahmen nur sehr ausnahmsweise (aha!) annehmen, sie legen sie also sehr zurückhaltend aus. Intention des Gesetzgebers war hier – wie auch im Mietrecht – die Förderung eines modernen Gebäudebestands, der Schutz von beeinträchtigten Personen und eben auch der Klimaschutz.
Aber auch hier ist es wohl wie im Mietrecht: Die GdWE kann verlangen, dass ein Fachunternehmen beauftragt wird, dass eine entsprechende Versicherung abgeschlossen wird, eine Vereinbarung über einen möglichen Rückbau erfolgt usw.
Bermudadreieck: Die vermietete Eigentumswohnung
Hier hat der Mieter einen Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung und der Vermieter gegen die GdWE auf Gestattung.
Schritt 1: Mieter verlangt die Zustimmung zur Nachrüstung, also zur baulichen Änderungen im Gemeinschaftseigentum
Schritt 2:Interessenabwägung des Vermieters
Von Vermieter kann nur so viel verlangt werden, wie er von den anderen Eigentümern / der Gemeinschaft verlangen kann
Wenn hier keine Zustimmung des Vermieters erfolgt, verklagt der Mieter den Vermieter; wenn keine Gestattung durch die GdWE erfolgt, verklagt der Vermieter die GdWE. Vermeiden Sie diese schwierigen Konstellationen und nehmen Sie das Ansinnen der vermietenden Eigentümer und deren Mieter ernst.
Fazit
Einfach Losbauen dürfen weder Eigentümer noch Mieter. Beide haben aber Ansprüche. Die jeweiligen Anspruchsgegner müssen sich damit beschäftigen und überlegen, unter welchen Voraussetzung die Zustimmung / Gestattung zumutbar ist.
Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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