Achtung Kündigungssperrfrist
Eigenbedarf – Betriebsbedarf?
29.08.2024Der Kauf einer Eigentumswohnung ist nicht nur mit freudiger Aufregung verbunden, sondern hält auch so manche Überraschung bereit. Versteckter Schimmel, der langsam die Wände heraufkriecht, dürfte da noch das kleineres Übel sein, als plötzlich feststellen zu müssen, dass die Wohnung vermietet ist und nicht selbst bezogen werden kann: Bestandsschutz! § 577a BGB hat schon so manchen neuen Eigentümer kalt erwischt. Im folgenden Beitrag geht es also um die Kündigungssperrfrist und wann diese greift oder eben auch nicht.
Was regelt § 577a BGB?
Die Regelung besagt, dass die Mieter einer Wohnung Bestandsschutz in Gestalt einer Kündigungssperrfrist genießen, wenn die Wohnung nach der Überlassung an die Mieter in Wohnungseigentum umgewandelt wird. Dem neuen Eigentümer ist es dann für drei Jahre – beziehungsweise bei angespanntem Wohnungsmarkt 10 Jahre - nicht möglich, den Mietern zu kündigen. Dies gilt aber nur für die Kündigungsgründe Eigenbedarf und Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3).
Voraussetzung für die Sperrfrist ist also, dass der Mieter eingezogen ist (ihm/ihr überlassen wurde), als die Wohnung noch keine Eigentumswohnung war und dann umgewandelt und dann verkauft wurde UND der Vermieter wegen Eigenbedarfs oder wirtschaftlicher Verwertung kündigen will. Nur dann ist der Mieter durch § 577a BGB geschützt.
Wann gilt § 577a nicht?
§ 577a BGB gilt nicht, wenn andere Kündigungsgründe vorliegen. Das passte dem Landgericht Berlin nicht so recht. Daher suchte es nach einem Ausgleich zugunsten der Mieter. Damit hatte sich der BGH in einem aktuellen Verfahren – VIII ZR 286/22 – zu beschäftigen.
Fall
Die Mieter bewohnten seit 1977 eine Dreizimmerwohnung in Berlin. 2013 wurde das Haus in Eigentumswohnungen aufgeteilt. 2018 erwarb der aktuelle Vermieter diese vermietete Wohnung. Im Januar 2021 erklärte der Vermieter unter Berufung auf § 573 Abs. 1 BGB gegenüber den Mietern die ordentliche Kündigung. Zur Begründung der Kündigung führte der Vermieter unter anderem aus, dass er die Räumlichkeiten künftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer Teilzeitkraft sowie eventuell mit Berufskollegen nutzen und dort auch seinen Wohnsitz begründen wolle, nachdem das Mietverhältnis über seine bisher genutzten Kanzlei- und Wohnräume zu diesem Zeitpunkt enden würde. Dieser Wunsch stelle ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses dar („Betriebsbedarf“).
Urteil
Der BGH hält eine derartige Kündigung auch innerhalb der Kündigungssperrfrist für möglich.
Es handelte sich weder um eine Kündigung wegen Eigenbedarfes noch wegen wirtschaftlicher Verwertung. Somit konnten die Mieter auch nicht den besonderen Kündigungsschutz des § 577a BGB genießen.
Zu prüfen war also, ob dieser Betriebsbedarf ein Kündigungsgrund im Sinne des § 573 Abs. 1 BGB darstellt und zwar so der BGH „aufgrund einer einzelfallbezogenen Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien.“ Ein berechtigtes Interesse setzt dabei voraus, dass der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung habe, die den (ernsthaft verfolgten) Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen würde. Auch kommt es darauf an, ob das vom Vermieter geltend gemachte Interesse ebenso schwer wiege, wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe.
Das LG Berlin wollte in die Interessenabwägung einfließen lassen, dass es für den Vermieter ein gewichtiger Nachteil und nicht nur ein beachtenswerter Nachteil sein muss, wenn er nicht wegen des Betriebsbedarfs während der Kündigungssperrfrist kündigen kann. Dem Nicht-Juristen erscheint das wie eine Wortklauberei. Doch so ist es selbstverständlich nicht. Der BGH hat dies dann auch anders gesehen.
Für die Frage des berechtigten Interesses ist die Wertung oder der Schutzgedanke von § 577a BGB nicht relevant. Daher erfolgt die Prüfung hier – wie in jedem anderen Fall eines Betriebsbedarfs. § 577a BGB ist nicht ergänzend so auszulegen, dass er auch für andere Kündigungstatbestände gilt. Direkt ist er nicht anwendbar. Eine indirekte Anwendung in der Interessenabwägung lehnt der BGH mit Hinweis auf die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, die sich aus dem Wortlaut von § 577a BGB ergibt, ab und sieht nur vermeintliche Wertungswidersprüche.
Die Prüfung und Interessenabwägung hat der BGH aber nicht vorgenommen, sondern die Angelegenheit wieder an das LG Berlin zurückverwiesen.
Fazit
Die ordentliche Kündigung des Mietvertrages über eine unter die Kündigungssperrfrist des § 577a BGB fallende Eigentumswohnung sollte nicht direkt auf Eis gelegt werden. Gegebenenfalls greift die Kündigungsbeschränkung im konkreten Fall nicht.
Autorin: Anne Schinke + Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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