Schadensersatz für fehlerhaften Beschluss über Baumaßnahme?
Schadensersatz für fehlerhaften Beschluss über Baumaßnahme?
Zwei der großen Themen bei der Verwaltung einer Wohnungseigentumsanlage sind die Vorbereitung und Durchführung von Baumaßnahmen. Dazu gehört auch die Frage: Mit welchem Quorum müssen Baumaßnahmen beschlossen werden und wer muss zustimmen? In einem neuen Urteil hat der BGH am 29.5.2020 entschieden, welche Pflichten den Wohnungseigentumsverwalter treffen, wenn Baumaßnahmen beschlossen werden und Unsicherheiten bei der Ab- und Zustimmung bestehen.
Bekanntlich hängt das Quorum davon ab, welcher Art die Baumaßnahmen sind. Vereinfacht ausgedrückt ist es so: Instandhaltungsmaßnahmen werden mit einfacher Mehrheit beschlossen, Modernisierungsmaßnahmen mit der doppelt qualifizierten Mehrheit. Nach § 22 Abs. 1 WEG müssen alle Wohnungseigentümer zustimmen, die von einer baulichen Maßnahme betroffen sind. Die genaue rechtliche Einordnung einer Baumaßnahme ist häufig schwierig, und noch schwieriger ist die Beurteilung, wer tatsächlich von der Veränderung betroffen, also über das übliche Maß hinaus beeinträchtigt ist. Aus diesen Schwierigkeiten resultieren oft Unsicherheiten bei den Verwaltern. Wenn die Eigenart der Anlage geändert werden soll, müssen alle Eigentümer zustimmen.
Umstritten ist dies zum Beispiel bei dem Anbau von Balkonen. Diese Maßnahme könnte eine Modernisierungsmaßnahme darstellen. Ein Beschluss mit einer doppelt qualifizierten Mehrheit wäre daher ausreichend. Wenn aber damit die Eigenart der Wohnanlage verändert wird, müssen dann alle zustimmen? Diese Fragen werden auch von Juristen unterschiedlich beantwortet. Letztlich hängt die Beantwortung der Frage auch immer vom Einzelfall ab, nämlich dem Aussehen der Balkone, dem Aussehen der Gebäude vorher und hinterher usw.
Der BGH hat nun einen Fall zu entscheiden, in dem der Verwalter einen Beschluss über eine Baumaßnahme verkündet hat, die die Eigenart der Anlage ändert, obwohl nicht alle Eigentümer in der Versammlung anwesend waren und einige gegen die Maßnahme stimmten. Dieser Beschluss war erfolgreich angefochten worden. Die Frage in dem hier entschiedenen Verfahren war daher, ob der Verwalter die Kosten des Anfechtungsverfahrens tragen muss. Die Eigentümer waren der Ansicht, dass in der Verkündigung des fehlerhaften Beschlusses eine Verletzung des Verwaltervertrags zu sehen ist. Für diese Verletzung sollte der Verwalter haften.
Grundsätzlich haftet ein Verwalter dann auf Schadensersatz, wenn er eine schuldhafte Pflichtverletzung des Verwaltervertrags begangen hat. Diese schuldhafte Pflichtverletzung hat der BGH aber hier verneint.
Zunächst führt der BGH aus, dass der verkündete Beschluss rechtswidrig war, weil nicht alle Eigentümer zugestimmt haben, die über das übliche Maß hinaus beeinträchtigt waren. Doch dies stellt keine Pflichtverletzung des Verwaltervertrags dar.
Um zu klären, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, sind zunächst die Pflichten zu definieren
In der Versammlung muss der Versammlungsleiter die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen prüfen, das Abstimmungsergebnis ermitteln und es anhand der Mehrheitserfordernisse beurteilen, um auf dieser Grundlage einen Beschluss zu verkünden. Dies hat der Verwalter getan. Der Verwalter hatte den Beschluss über die Baumaßnahme zutreffend als Mehrheitsbeschluss eingeordnet und dann auch verkündet.
Andere Pflichten treffen ihn im Vorfeld der Versammlung. Hier muss der Verwalter die bauliche Veränderung prüfen und prüfen, ob und wenn ja, welche Eigentümer zustimmen müssen. Über das Ergebnis dieser Prüfung muss der Verwalter in der Versammlung konkret informieren und auf ein ggf. bestehendes Anfechtungsrisiko hinweisen. Zum Kerngeschäft des gewerblichen WEG-Verwalters gehört es nämlich, Hinweise in Versammlungen zu erteilen, rechtliche Erwägungen mitzuteilen und Baumaßnahmen auf das Zustimmungserfordernis zu prüfen. Wenn sich der Verwalter bei der rechtlichen Einordnung irrt, haftet er aber nur dann, wenn seine Entscheidung trotz sorgfältiger Prüfung offenkundig falsch ist.
Das bedeutete in dem konkreten Fall, dass der Beschluss über die Baumaßnahmen mit einfacher Mehrheit getroffen werden konnte. Er hätte nur verkündet werden dürfen, wenn alle Eigentümer zugestimmt hätten. Da aber kein offenkundiger Fehler bei der Einschätzung des Zustimmungserfordernisses vorlag, haftete der Verwalter nicht auf die Prozesskosten des Anfechtungsverfahrens.
Fazit
Beschluss über eine Baumaßnahme und Zustimmung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG sind zwei verschiedene Themen. Denkbar ist es nämlich, dass Eigentümer, die nicht an der Versammlung teilnehmen oder die in der Versammlung mit „Nein“ stimmen, trotzdem ihre Zustimmung erteilen.
Wie kann der Verwalter das Problem der nicht anwesenden oder mit „Nein“ stimmenden Eigentümer lösen?
Der BGH schlägt hier ein zweistufiges Vorgehen vor, bei dem die Zustimmungen vor der Stimmabgabe abgefragt werden. Alternativ könnte der Verwalter auch, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen. Es ist Sache der Wohnungseigentümer, darüber zu entscheiden, ob sie den Verwalter in Bestätigung der vorangegangenen Willensbildung anweisen, einen positiven Beschluss zu verkünden, oder ob sie wegen des nunmehr manifesten Anfechtungsrisikos die Anweisung erteilen, von der Verkündung Abstand zu nehmen.
Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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