Wo liegt die Grenze des Wohnens?
Wo liegt die Grenze des Wohnens?
Schon vor zwei Wochen ging es hier um Vertragsverstöße im Mietrecht und um den Tod. Damals haben wir über ein aktuelles Urteil berichtet, bei dem der Verdacht eines Vertragsverstoßes bestand, der Mieter soll den Vermieter getötet haben. Bereits öfter diskutiert haben wir aber die Frage, ob das Sterben in der Wohnung einen Vertragsverstoß darstellt.
Hintergrund der Diskussion und auch der dazu ergangenen Urteile (zuletzt AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 24.11.2020, Az. 15 C 59/20) ist selbstverständlich nicht Frage nach der Kündigung, sondern eine Frage des Schadensersatzes. Vertragsverstöße können einerseits zur Kündigung von Mietern führen, aber auch dazu, dass sie sich schadensersatzpflichtig machen. Wenn ein Mieter in seiner Wohnung verstirbt und nicht sofort entdeckt wird, können Schäden in der Wohnung entstehen. Die Frage ist: Wer haftet für diese Schäden?
In den entschiedenen Fällen hatten die Erben des Mieters die Wohnung an den Vermieter zurückgegeben. In der Wohnung war Leichengeruch wahrnehmbar bzw. Flecken auf Boden und an Wänden. Für die Beseitigung dieser Schäden ist ein hoher Kostenaufwand erforderlich. Streit zwischen Vermieter auf der einen Seite und Erben über diese Kosten auf der anderen Seite ist vorprogrammiert. Um das Ergebnis vorwegzunehmen. Die Erben haben in beiden Fällen nicht für diese Schäden gehaftet.
Grundsätzlich haften Mieter nur dann auf Schadensersatz, wenn sie einen schuldhaften Vertragsverstoß begangen haben, also den vertragsgemäßen Gebrauch überschreiten. Der vertragsgemäße Gebrauch einer Wohnung ist „Wohnen“, also die „auf eine gewisse Dauer angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens einschließlich der mit der Haushaltsführung verbundenen Tätigkeiten“. Nach dieser Definition gehört Sterben nicht zum Wohnen. Dennoch sind das AG Tempelhof-Kreuzberg und das AG Schwartau sich einig. Das Sterben an sich stellt keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Diese Ansicht ist auf breite Zustimmung gestoßen.
Ist dann das längere Verbleiben in der Wohnung eine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs? Wohl nein. Der verstorbene Mieter handelt nicht mehr und gebraucht die Wohnung nicht mehr. Und die Erben? Auch diese gebrauchen die Wohnung nicht. Sie haben keine Kenntnis vom Tod des Mieters und daher auch keinen Willen die Wohnung zu gebrauchen oder eben nicht zu gebrauchen. Weder die Erben noch der Mieter ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass regelmäßig Kontakt besteht. Niemand muss sich – aus mietrechtlicher Sicht – innerhalb der Verwandtschaft ständig nach dem Befinden und Verbleib des anderen zu erkundigen (AG Schwartau, Urteil vom 5.1.2001, Az. 3 C 1214/99). In der juristischen Literatur ist nachzulesen, dass auch nichts Anderes gilt, wenn der Mieter durch einen Suizid verstirbt.
Fazit
Dass ein Mieter in der Wohnung verstirbt und nicht sofort entdeckt wird, ist eine menschliche Tragödie, gehört aber zum allgemeinen Risikos des Vermieters – so hart dies auch klingt. Vermieter können in Bezug darauf keinen Schadensersatz gegenüber den Erben geltend machen.
Wenn Sie Fragen zu Ihrem konkreten Fall und zur konkreten Vorgehensweise haben, wenden Sie sich bitte an GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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