Wer fährt, zahlt – oder?
Verteilung der Kosten für den Einbau eines Aufzugs
09.11.2022Der Einbau eines Aufzugs bringt auf Mieterseite zweierlei mit sich: Gebrauchsvorteile für die Mieter sowie Mieterhöhungen aufgrund der vorgenommenen Modernisierungsmaßnahme. Dem Vermieter ist wichtig, dass das Haus attraktiver und damit einen höheren Wert hat und dass sich die Kosten durch höhere Mietzahlungen amortisieren. Bei der Modernisierungsmieterhöhung spielt daher eine Rolle, in welchem Verhältnis die Modernisierungskosten auf verschiedene Mieter, insbesondere verschiedener Etagen, umgelegt werden können und ob der Gebrauchsvorteil der Mieter berücksichtigt werden kann oder nicht? Sind die Kosten auf alle Mieter gleichmäßig (nach Wohnung oder Wohnfläche) umzulegen? Wer hat hier welche Ansprüche?
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In einem Fall des Amtsgerichts Hamburg war Folgendes passiert: in einem Mietshaus wurde das Dachgeschoss ausgebaut und ein Aufzug eingebaut. Nach Abschluss der Baumaßnahmen teilt die Vermieterin Mietern einer Wohnung mit, dass sich ihre Nettomiete aufgrund der Modernisierung um monatlich 161,98 € erhöhen werde. Der Betrag ergibt sich aus einer Umlage von 8 % der angefallenen Modernisierungskosten auf Grundlage des Anteils der von den Mietern gemieteten Wohnfläche an der Gesamtfläche des Objekts - abzüglich der Fläche für Erdgeschoss- und Souterrainwohnungen.
Die Mieter leisten zwar zunächst die erhöhte Miete. Jedoch verlangen sie die Reduzierung des Erhöhungsbetrags auf monatlich 94,29 €, weil die Umlage aufgrund des Anteils ihrer Wohnfläche an der Gesamtfläche fehlerhaft und unbillig sei. Stattdessen habe die Umlage unter Berücksichtigung der Etage zu erfolgen. Da sich ihre Wohnung in der ersten Etage befindet, sei ihr Nutzen an dem Aufzug gering. Ein solcher würde sich insbesondere für die – teilweise gewerblich genutzten – neuen Einheiten im Dachgeschoss ergeben.
An dieser Stelle ist zu fragen: Was ist Billigkeit? Unter Billigkeit wird eine gerechte oder angemessene Anwendung allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen im Einzelfall verstanden. Es geht also nicht um den Preis, sondern um Gerechtigkeit.
Die Frage ist hier also, wie gerecht sind Vermieter und wie gerecht sind die Gerichte?
Das AG Hamburg führte zutreffend aus, dass es sich bei dem Einbau des Aufzugs um eine Modernisierungsmaßnahme i.S.v. § 555b Nr. 4 BGB handle. Sämtliche Voraussetzungen hinsichtlich der Ankündigung und der rechnerischen Höhe der Mieterhöhung nach §§ 559 Abs. 1, 3a; 559b BGB seien eingehalten worden. Eine mehrere Wohnungen betreffende Modernisierungsmaßnahme ist gem. § 559 Abs. 3 BGB angemessen auf die einzelnen Wohnungen zu verteilen.
Was aber angemessen ist, kann der Vermieter entscheiden. Dies steht in seinem Ermessen zu, das gem. § 315 Abs. 3 BGB entsprechend der Billigkeit ausgeübt werden muss. Die Grenzen der Billigkeit seien nicht eng, sodass diese vorliegend nach Auffassung des Gerichts eingehalten wurden.
Das Gericht trifft keine eigene Ermessensentscheidung, es kann nur prüfen, ob der Vermieter hier Fehler gemacht hat. Sofern die Kosten nicht separat für die einzelnen Wohnungen erfasst wurden, ist eine Umlage nach dem Verhältnis der Wohnfläche angemessen, sofern der Umlagemaßstab offensichtlich praktikabel und nachvollziehbar ist.
Die weitere Frage, die sich hier stellt: Nutzt ein Mieter einer unteren Wohnung den Aufzug weniger oder seltener als ein Mieter weiter oben. Darüber kann man trefflich streiten. Der Vermieter ist aber eben nicht verpflichtet, den Gebrauchswert des Aufzugs für verschiedene Mietparteien zu berücksichtigen Sogar die Einbeziehung der Erdgeschossbewohner kann angemessen sein. Nur „ein“ richtiger Verteilungsmaßstab der Billigkeit existiert daher nicht.
Nur kurz zur Abgrenzung: Es wäre unbillig, die Kosten allein den Mietern im 3. von vier Geschossen aufzuerlegen, während alle anderen keine Umlage zu zahlen brauchen.
Fazit
Vermieter dürfen entscheiden, wie sie die Kosten einer Modernisierungsmaßnahme unter den Mietern verteilen. Solange dies „billig“ ist, ist dies nicht zu beanstanden, egal wie teuer dies im Einzelfall wird.
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AG Hamburg, Urteil vom 27.01.2022 – 48 C 115/21