Verwertungskündigung – Wann ist der Vermieter an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert?
Verwertungskündigung – Wann ist der Vermieter an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert?
Ein Vermieter einer Wohnung darf ein Mietverhältnis über eine Wohnung nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse hat. Damit sollen Wohnraummieter vor Wohnungsverlust geschützt werden. Neben dem Eigenbedarf ist ein derartiges berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 BGB auch die Hinderung an der wirtschaftlichen Verwertung. Dies ist aber nur dann ein Kündigungsgrund, wenn dem Vermieter erhebliche Nachteile entstehen. In einem aktuellen Urteil hatte der BGH die Frage zu entscheiden, ob erforderliche Investitionen von 26.000 € bei einer monatlich erzielten Miete von 60 € ein solcher Nachteil ist. Dieses Urteil ist der Anlass für einen Beitrag zu den Voraussetzungen einer Verwertungskündigung.
Voraussetzungen der Verwertungskündigung
Der Wortlaut des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB beinhaltet vier Voraussetzungen für die Verwertungskündigung:
- Absicht der anderweitigen Verwertung
- Angemessene Verwertung
- Entgegenstehender Bestand des Mietverhältnisses
- Erhebliche Nachteile
Der Vermieter muss die ernsthafte Absicht haben, die Wohnung anderweitig zu verwerten. In der juristischen Literatur finden sich mehr Ausführungen dazu, was keine Kündigungsgründe sind, als dass tatsächlich Kündigungsgründe bejaht werden. Bei allen Überlegungen zur Verwertungsabsicht spielt immer eine Rolle, dass die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses die ultima ratio ist, also das letzte Mittel. Die Vorschriften zu Kündigungen im Wohnraummietrecht sollen die Mieter in ihrem Nutzungsinteresse schützen.
Verwertungsabsicht kann vorliegen bei geplantem Verkauf, bei umfassender Modernisierung oder Sanierung, bei Zusammenlegung zweier kleiner Wohnungen oder Teilung einer großen Wohnung.
Diese Verwertung muss aber angemessen sein, das heißt nachvollziehbar und vernünftig. Nicht nachvollziehbar und vernünftig ist eine Verwertung zu einem rechtswidrigen Zweck. Wenn also der geplanten Verwertung beispielsweise das Zweckentfremdungsverbot entgegensteht, ist die Kündigung unwirksam. Ebenso unwirksam wäre eine Kündigung eines Wohnraummieters, um in der Wohnung ein Bordell zu errichten, weil dies sittenwidrig sein könnte.
In den so genannten Verkaufsfällen gilt, dass der geplante Verkauf vernünftig, aber nicht erforderlich sein muss, zu Erlangen von finanziellen Mitteln für eine eigene größere Wohnung oder Existenzgründung; der Verkauf anlässlich einer Scheidung ist ebenfalls vernünftig. Allerdings führen Risikogeschäfte oder Fehlkalkulationen dazu, dass eben keine angemessene Verwertungsabsicht besteht.
Bei den Modernisierungsfällen ist zu prüfen, welcher Zustand vor der Maßnahme vorliegt und welcher Zustand erreicht werden soll. Wenn erst ein allgemein üblicher Zustand erreicht werden soll und der Mieter trotzdem zu einer Duldung der Modernisierungsmaßnahme nicht verpflichtet wäre, kann auch hier das Verwertungsinteresse angemessen sein.
Bei den Modernisierungs- und Umbaufällen aber auch bei den Abrissfällen (beabsichtigter Abriss eines Gebäudes) ist zu prüfen, ob und wie unrentabel die Vermietung ist und wie die Rentabilität hergestellt werden kann.
Daher war auch in dem aktuellen Fall vor dem BGH die Kündigung unwirksam. Der Abriss eines Hauses ist keine anderweitige angemessene Verwertung, wenn nicht auch beabsichtigt ist, wieder neuen Mietraum zu schaffen. Der Abriss eines Hauses stellt keine Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts dar (BGH, Urteil vom 16.12.2020, Az. VIII ZR 70/19). In dem entschiedenen Fall wollte der Vermieter den Seitenflügel eines Gebäudes abreißen. In diesem Seitenflügel befand sich lediglich das Badezimmer der Mieter, deren Wohnung sich im Haupthaus befand. Die Mieter zahlen derzeit 60,00 € Miete. Der Seitenflügel war so baufällig, dass er abgerissen werden musste. Die Wiederherstellung eines Bades für die Mieter koste, so der Vermieter, ca. 26.000 €; dies sei in Anbetracht der Miete wirtschaftlich nicht darstellbar. Der BGH wies die Räumungsklage ab. Das Gericht hält den Aufwand zur Errichtung eines neuen Bades für zumutbar, selbst wenn mit den Möglichkeiten der Mieterhöhung eine Amortisierung nicht zu erwarten sei. Der Grundstückwert wachse, weil ein modernisiertes Gebäude diesen erhöhe.
In diesem Urteil hat der BGH nicht nur die Voraussetzungen der Verwertungskündigung, sondern auch der Kündigung aus berechtigten Grund (§ 573 Abs. 1 BGB) geprüft.
Die Argumentation zeigt, dass es eben nicht nur auf einen nachvollziehbaren Grund ankommt, sondern auch auf die Frage des erheblichen Nachteils und der Zumutbarkeit für beide Parteien. Meist werden hier wirtschaftliche Nachteile geprüft. Einerseits kann ein erheblicher Abschlag beim Verkauf einer Wohnung bereits ein derartiger Nachteil sein, andererseits tritt reine Gewinnoptimierung hinter dem Schutz der Mieter zurück. Die Erheblichkeitsgrenze ist daher in jedem Einzelfall zu berechnen. Der Mehrerlös von 25% dürfte nicht zum Erreichen der Erheblichkeitsgrenze ausreichen.
Ausschluss der Kündigung
Die Kündigung ist unzulässig, wenn der Kündigungsgrund bereits vorlag und der Vermieter dennoch ein neues Mietverhältnis abgeschlossen und den Mieter nicht über die beabsichtigte Kündigung informiert hat. Dies ist insoweit eine Parallele zum Recht der Eigenbedarfskündigung. Ebenso wie dort, ist der Vermieter auch verpflichtet, dem Mieter ein Angebot zur Fortsetzung des Mietverhältnisses zu unterbreiten, wenn die Verwertungsabsicht während der Kündigungsfrist wegfällt.
Eine Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ebenso ausgeschlossen, wie auch die Kündigung nach einer Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung zum Zwecke des Verkaufs. In diesen Fällen findet dann auch keine Abwägung der Interessen statt, diese Kündigungsausschlüsse gelten unbefristet.
Fazit
Als Fazit lässt sich sagen: Eine Kündigung wegen der Hinderung einer angemessen wirtschaftlichen Verwertung ist möglich. Die Grenzen sind jedoch in Anbetracht des sozialen Mieterschutzes sehr eng. Bei Fragen zu diesen Themen, beraten wir Sie gern.
Lesen Sie auch unsere Beiträge zur Eigenbedarfskündigung, diese finden Sie hier. Auf unserer LEWENTO Akademie finden Sie relevante Webinare.
Autor: GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Bildnachweis: Pixabay