Ferien in der Ferienhausanlage
Wenn es dem bösen Nachbarn / Miteigentümer nicht gefällt
01.08.2024Wenn Sie diesem Newsletter aufmerksam folgen, wissen Sie, dass meine Begeisterung für Mehrhausanlagen begrenzt ist. Andererseits – je komplizierter eine Sache ist, umso interessanter ist sie auch. Heute dreht sich mein Beitrag um eine Mehrhausanlage im Extrem – jeder Eigentümer hat sein eigenes Haus und verhält sich wie ein Einzeleigentümer. Es stellt sich die Frage, unter welchen Umständen die Gemeinschaft (GdWE) gegen einen der Häuscheneigentümer auf Rückbau vorgehen kann (§ 1004 BGB).
Fall:
Ein Grundstück, das mit einer Wochenendhaus-Anlage bebaut war, wurde geteilt. Den Eigentümern wurden jeweils Sondernutzungsrechte an einer Parzelle zugewiesen. An den Räumen in den Häuschen wurde Sondereigentum begründet und mit den Sondernutzungsrechten an den Gärten verbunden.
In der Teilungserklärung heißt es: „Jeder Hauseigentümer ist berechtigt, die seinem Sondereigentum und Sondernutzungsrecht unterliegenden Gebäude- und Grundstücksteile unter Ausschluss der anderen Hauseigentümer so zu nutzen, wie wenn er Alleineigentümer wäre, soweit nicht in dieser Urkunde Nutzungsbeschränkungen vereinbart sind. Die baurechtlichen Vorschriften sind zu beachten.“ und weiter „Im Rahmen des nach öffentlichem Recht Zulässigen kann jeder Hauseigentümer sein Wohnungseigentum bzw. Teileigentum und die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teile des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der Gemeinschaftsordnung nutzen, sie auch verändern und die nicht bebauten Grundstücksteile auch bebauen. Jeder Wohnungseigentümer duldet die anderweitige Bebauung eines benachbarten Sondernutzungsrechts, sofern das Wochenendhaus von der gemeinsamen Grenze der Sondernutzungsrechte einen Abstand von mindestens 1,75 m einhält und die Errichtung des Gebäudes bauordnungsrechtlich genehmigt wurde.“
Nun baute ein Eigentümer ein bisschen mehr und größer als eigentlich nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften zulässig, andererseits hatte er eine Baugenehmigung. Ob er diese überschritten hat, ist strittig. Kann die GdWE den Rückbau verlangen?
Urteil:
Der BGH hat die Angelegenheit an das Landgericht zurückverwiesen (Urteil vom 8.3.2024, Az. V ZR 119/23), weil eben noch nicht geklärt war, ob der Eigentümer die Baugenehmigung eingehalten hat.
Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, ob jeder Baurechtsverstoß eine Eigentumsbeeinträchtigung der anderen Eigentümer hervorrufen kann oder nur drittschützende Normen. Dies sind insbesondere Abstandsregelungen (wie nah darf an der Grundstücksgrenze gebaut werden?).
Dazu gab es bisher keine Entscheidung des BGH. Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung und der juristischen Literatur stellte auf die drittschützende Norm ab. Dies sieht auch der BGH im Grundsatz so.
Hintergrund ist, dass ein Nachbar bei Bauvorhaben auf Nachbargrundstücken sich im Verwaltungsverfahren und vor den Verwaltungsgerichten gegen den bauenden Nachbarn bzw. gegen das Bauvorhaben wehren kann, wenn der bauende drittschützende Normen verletzt. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sind sie aber nicht für Streitigkeiten auf einem Grundstück, also innerhalb der Gemeinschaft zuständig. Derartige interne Streitigkeiten sind vor den Zivilgerichten auszufechten. Dabei soll, so der BGH, ein Sondereigentümer aber nicht schlechter stehen, als ein Nachbar in einem Verfahren gegen ein Bauvorhaben eines Eigentümers eines Nachbargrundstücks.
Der BGH hat dann im nächsten Schritt geprüft, ob hier durch das Bauvorhaben des Sondereigentümers eine drittschützende Norm verletzt wurde. Der BGH war hier anders als das Berufungsgericht der Meinung, dass der Bebauungsplan drittschützenden Charakter hat. Denn es geht darin auch um die Grundflächen der Wochenendhäuser in einem Wochenendhausgebiet. Derartige Regelungen dienen dem Gebietserhaltungsanspruch und damit der Absicherung der Nutzungsart und haben damit drittschützenden Charakter.
Das hat der BGH als so genanntes obiter dictum (nebenbei Gesagtes) erklärt, denn eigentlich kam es darauf gar nicht an.
Die Teilungserklärung sah nämlich vor, dass ein Sondereigentümer nur dann bauen darf, wenn dies bauordnungsrechtlich genehmigt wurde. Der BGH hat die entsprechende Vereinbarung in der Teilungserklärung ausgelegt.
Bei der Auslegung ist „vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der Eintragung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind.“ Der BGH legt aus und kommt zu dem (nicht überraschenden Ergebnis), dass das gemeint ist, was gesagt wurde: Jeder Wohnungseigentümer duldet, wenn die Errichtung des Gebäudes bauordnungsrechtlich genehmigt wurde. Es kommt in dem Verfahren hier also doch tatsächlich auf das Bestehen der Baugenehmigung und den dann folgenden Bau (= entspricht dieser der Genehmigung) an.
Daher wurde die Sache zurückverwiesen, das Landgericht prüft das Bestehen der Baugenehmigung und ob auch entsprechend der Genehmigung gebaut wurde. Wenn beide Fragen mit ja beantwortet werden, braucht hier nichts zurückgebaut zu werden. Liegt keine Baugenehmigung vor oder wurde etwas anderes gebaut, müssen die Sondereigentümer ihren „Schwarzbau“ zurückbauen.
Fazit:
Das Urteil ist aus rechtsanwaltlicher Sicht zu begrüßen. Es sorgt zum Einen für Klarheit, welche Normverletzung zu Rückbauansprüchen führen können und Zweiten für Erkenntnisse, wie drittschützender Charakter zu ermitteln ist (für uns Wohnungseigentumsrechtler oftmals schwieriger als für Bauordnungsrechtler) und zum Dritten erfahren wir Vieles zu Auslegungsregeln von Teilungserklärungen.
Aus Verwaltersicht hilft es auch weiter. Die Auslegung von Gemeinschaftsordnungen / Teilungserklärungen ist nicht so kompliziert, wie wir Juristen immer meinen. Es kommt nämlich auf den unbefangenen Betrachter an (und nicht auf Richter oder Rechtsanwalt).
Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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