Beleidigung des Vermieters
Wenn der Kacke-Emoji zum Kündigungsgrund wird
22.11.2023Wann sind Beleidigungen Kündigungsgründe im Mietverhältnis? Diese Frage beschäftigt uns nicht nur in unseren Vorträgen und Videos. sondern auch in der täglichen Fallbearbeitung. Dieser Beitrag widmet sich dem Thema, wann eine Beleidigung ein Kündigungsgrund im Mietverhältnis ist.
Kündigungsgründe
Für die Kündigung eines Wohnraumietvertrags oder auch die Kündigung eines befristeten Mietvertrags bedarf es eines Grundes. Eine außerordentliche fristlose Kündigung erfordert nämlich einen wichtigen Grund, der das Festhalten am Vertrag unzumutbar macht. Ein Vertragsverstoß kann ein solcher Grund sein. Die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses kann ebenfalls zur Kündigung führen. Gegenseitige Beleidigungen sind Zeichen dafür, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Mietvertragsparteien gestört ist. Beleidigungen sind auch Straftaten und damit Vertragsverstöße. Beleidigungen sind Äußerungen von Missachtung oder Nichtachtung über eine Person. Diese können in Wort, Bild, Schrift und Geste erfolgen. Eine Person wird herabgewürdigt oder als minderwertig dargestellt, also in ihrer persönlichen Ehre angegriffen.
Doch führen Beleidigungen tatsächlich dazu, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist?
Es kommt hier neben der Schwere der Beleidigung auch darauf an, in welchem Kontext diese passierte. Wenn sich beide Seiten gegenseitig beleidigen, ist der Vertragsverstoß der jeweils anderen Parteien nicht so schwer, dass es für eine Kündigung ausreicht. Außerdem muss geprüft werden, ob eine Abmahnung erfolgt oder ob eine Abmahnung überhaupt notwendig ist.
Hier ist immer eine Abwägung im Einzelfall von Nöten. Und diese Abwägung nehmen die Gerichte vor.
Soweit zur Theorie, nun folgt die Praxis:
Beleidigung einer Nachbarin
Eine Nachbarin fordert einen Mieter auf, den Urin der Hunde im Hausflur zu beseitigen. Dieser Mieter wird sauer und bezeichnet die Nachbarin darauf hin als „Fotze“.
Kann deswegen gekündigt werden?
Ja. „Schwere Beleidigungen stellen eine nachhaltige Störung des zu wahrenden Hausfriedens dar, auch wenn sie nicht gegenüber dem Vermieter, sondern anderen Hausbewohnern ausgebracht werden.“ Schwerwiegende Beleidigungen können auch schon bei einmaliger Begehung eine fristlose Kündigung des Mietvertrags rechtfertigen. (AG Neuruppin, Urteil vom 16.4.2019, Az. 43 C 61/18 – siehe hier: LEWENTO-Urteile)
Üble Nachrede beim Bauamt über den vermietenden Vater
Vater (Vermieter) und Tochter (Mieterin) sind Parteien eines Wohnraummietvertrags. Beide streiten um Mängelbeseitigungsmaßnahmen. Im Zuge dessen äußerte sich die Tochter abwertend über ihren Vater auch gegenüber dem Bauamt und dem Gesundheitsamt.
Kann der Vater kündigen?
Nein, „sachlich unzutreffenden oder herabsetzenden Äußerungen des Mieters gegenüber seinem Vermieter kann das für eine Kündigung des Mietverhältnisses erforderliche Gewicht fehlen, wenn zwischen den Vertragsparteien enge persönliche oder sogar familiäre Beziehungen bestehen“. (LG Berlin, Urteil vom 22.8.2019, Az. 67 S 109/19 – siehe hier: LEWENTO-Urteile)
Beleidigungen eines geistig Verwirrten
Der Vermieter forderte den Mieter auf, einen unberechtigt genutzten Kellerraum zu räumen. Daraufhin erhob der Mieter „Widerspruch gegen den verleumderischen Brief ihrer verbrecherischen vorgeblichen Rechtsvertreter, …“ In einem anderen Schreiben bezeichnete er Handwerker als „Verbrecher vom Antennendienst“ und sprach vom „verleumderischen und diebischen Ansinnen der rachsüchtigen Eigentümerin“. Er sprach von „grenzenloser Strunzdoofheit und Saublödheit der Schwerstverbrecher“ und meinte dabei die beauftragte Hausverwaltung. Außerdem spricht er von einem „Fränkisch-Thüringisch-Japanischen Weltreich der Würzburger“ und dem „satanisch freimaurerischen Euro“. Trotz Abmahnung stellt der Mieter die Hasstiraden nicht ein.
Kann der Vermieter kündigen?
Nein, weil „sich die beleidigenden Äußerungen auf Verbalattacken beschränken und erkennbar pathologischer Natur sind, weil sie einem erheblich gestörten Weltbild des Mieters entspringen, welches es ihm deutlich erschwert, sich entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation zu verhalten“. LG Berlin, Urteil vom 16.1.2018, Az. 67 S 280/17 VIS Berlin - siehe hier LEWENTO Urteile)
Beleidigung durch Kacke-Emoji
Ein Mann hatte eine Gaststätte von einem Verein gepachtet. Pächter und Verein stritten sich. Der Streit wurde auch in den sozialen Netzwerken ausgetragen. In einer Nachricht wünschte der Pächter einem der Vereinsvorsitzenden ein "Scheiß"-Weihnachten und -Neujahr und auch "viel Krankheit". Seine Botschaft unterstrich er durch zwei animierte Kothaufen-Emojis.
Ist die Kündigung des Vereins wirksam?
Ja, entschied das Landgericht Frankenthal kürzlich. Weder längere Streitigkeiten mit dem Vorstand des Vereins noch Auseinandersetzungen über die Pflicht, das Tor zum Vereinsgelände zu verschließen, rechtfertigten das Versenden von Beschimpfungen und Kothaufen-Emojis. Da ein überragendes Interesse des Vereins vorliege, dass seine Vorstandsmitglieder und Trainer nicht weiter beleidigt und beschimpft würden, war nach Ansicht der Kammer in diesem Fall auch keine Abmahnung erforderlich (LG Frankenthal, Urteil vom 26.9.2023 – 6 O 75/23).
Vermischtes
AG München, Endurteil vom 1.3.2019 (Az. 461 C 34378/17) keine Kündigung bei Beleidigung nach Provokation (Lebensgefährtin des Vermieters sei asozial)
AG München, Urteil vom 28.11.2014 (Az. 464 C 18543/14) Kündigung bei „Sie promovierter Arsch“ auch ohne Abmahnung
AG Charlottenburg, Urteil vom 12.8.2021 (Az. 210 C 198/20) Kündigung ohne Abmahnung durch einen der drei Mieter: „diese Arschlöcher aus München, … die wollen uns vertreiben“ im Fernsehen.
LG Hamburg, Urteil vom 8.1.1998 (Az. 307 S 192-97), Kündigung bei Bezeichnung der Vermieterin als „„raffgierig, unverschämt, kriminell, dummdreist“ und „eher kleinlaut, bieder, betreten und verunsichert“ wirksam
und ganz neu:
LG München, Urteil vom 8.2.2023 (Az. 14 S 7769/22) Kündigung bei Bezeichnung des Nachbarn als Wichser.
Fazit
Beleidigungen von Vermieter*innen, Hausverwalter*innen und Nachbar*innen können Kündigungsgründe darstellen. Je nach Schwere der Beleidigung empfehlen wir, zunächst eine Abmahnung auszusprechen und erst bei wiederholter Beleidigung zu kündigen.
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Autorin: Katharina Gündel, GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Bildnachweis: Pexels