Das Leben in einer Wohngemeinschaft – kurz „WG“ – erfreut sich großer Beliebtheit. Eine WG ist – juristisch ausgedrückt – Zusammenschluss mehrerer nicht miteinander verwandter oder in einer partnerschaftlichen Beziehung stehenden Personen zu einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. Ob Studierende, Alleinstehende, Wochenpendler oder auch Senioren – rund 4,7 Millionen Menschen in Deutschland leben in einer Wohngemeinschaft. Oft sind diese WGs gekennzeichnet durch wechselnde Mitbewohner. Damit sind für beide Seiten sowohl Vor- als auch Nachteile verbunden. Auf der einen Seite steht Flexibilität der Mieter und auf der anderen vor allem der Verwaltungsaufwand der Vermieter bzw. Hausverwalter. Unter welchen Voraussetzungen den Mietern einer Wohngemeinschaft ein Anspruch gegen den Vermieter auf Zustimmung zum Mieteraustausch zusteht, hat der BGH kürzlich entschieden.
Ausgangspunkt ist hier die Frage, wer Mieter ist – die Wohngemeinschaft, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, oder die einzelnen benannten Personen. Wenn die
Wohngemeinschaft Mieterin ist, darf sie dann ihre Gesellschafter ohne Zustimmung des Vermieters austauschen oder eben nicht. Vorfrage ist daher immer: Hat der Vermieter überhaupt an eine
Wohngemeinschaft vermietet oder „bloß“ an mehrere Mieter? Genau dies hat sich der BGH auch gefragt und sich den Mietvertrag genau angesehen.
Fall
Mit Mietvertrag vom 19.8.2013 vermietet die Vermieterin eine Siebenzimmerwohnung an sechs Personen. Am 21.2.2017 regeln alle Vertragsparteien gemeinsam mit sechs weiteren Personen unter anderem, dass fünf der bisherigen Mieter aus dem Mietverhältnis ausscheiden und dieses mit dem verbleibenden Mieter und den sechs hinzukommenden Personen fortgesetzt werden soll. Nun gab es sieben Mieter.
Im Mai 2017 wird vereinbart, dass einer der im Februar 2017 eingetretenen Mieter wieder ausscheiden und das Mietverhältnis an seiner Stelle mit einer neu eintretenden Person fortgesetzt werden soll.
Im Oktober 2019 begehren die derzeitigen Mieter die Zustimmung der Vermieterin zum Austausch von vier Mietern gegen vier andere Personen. Diese wohnen längst in der Wohnung. Die Vermieterin lehnt dies ab. Die Mieter klagen nur gegen die Vermieterin auf Zustimmung zum Mieterwechsel. Werden sie gewinnen?
Urteil
Nein, sagt der BGH. Ein solcher Anspruch auf erneuten Mieterwechsel steht den Mietern nicht zu.
Wie gesagt, schaut sich der BGH den Mietvertrag genau an und findet keine Regelung zu einem oder mehreren zukünftigen Mieterwechseln. Der BGH prüft weiter, ob der Vertrag dahingehend auszulegen ist, dass die Vermieterin mit allen zukünftigen Mieterwechseln einverstanden ist. Aber auch das ist aus dem Mietvertrag nicht herauszulesen.
Das Gericht berücksichtigte hier – wie immer – die Umstände des Einzelfalls, Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte.
Ein Anspruch auf Zustimmung der Vermieterin kann selbst in einer Studierenden-WG, deren Mietverhältnis von vornherein auf Fluktuation angelegt ist, nicht schematisch angenommen werden. Er kann sich auch nicht allein aus dem Umstand ergeben, dass es sich um ein Mietverhältnis mit WG-Mietern handelt. Vielmehr bedarf es konkreter Anhaltspunkte für eine solche Vereinbarung, dass Mieterwechsel kein Problem sind. Die Parteien müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses übereinstimmend davon ausgehen, dass sich häufig und in kurzen Zeitabständen ein Bedarf zur Änderung der Zusammensetzung der in der Wohnung lebenden Personen ergeben kann. Dies war aber hier nicht der Fall.
Der BGH hat weiter geprüft, ob sich aus den zunächst erteilten Zustimmungen ein derartiger Wille ergeben kann oder ob die Vermieterin damit gezeigt hat, dass sie immer mit Mieterwechseln einverstanden sein wird. Aber auch diese Frage wurde verneint. Die Vermieterin ist mit den bisherigen Zustimmungen den Mietern nur jedes Mal entgegengekommen. Damit wird kein Bindungswille für künftige Änderungsbegehren demonstriert und dieses Verhalten hat auch keine Auswirkungen auf die vertraglichen Regelungen.
TIPP
Achten Sie auf die Formulierungen im Mietvertrag. Sie sollten in keinem Fall das Wort „Wohngemeinschaft“ oder „WG“ im Mietvertrag erwähnen. Auf der ganz sicheren Seite als Vermieter sind Sie, wenn Sie ausdrücklich im Mietvertrag regeln, dass ein Mieterwechsel Ihrer Zustimmung bedarf. Unser Mietvertragsmuster finden Sie
hier.
BGH, Urteil vom 27.04.2022 – VIII ZR 304/21 (LG Berlin)